Platte des Monats April 2015
Erfolg - Erfolg [Staatsakt]
Das Cover zur Platte "Erfolg" vom Soloprojekt "Erfolg" von Johannes von Weizsäcker.
Das Motto von Johannes von Weizäckers Debütalbum ist eine self-fulfilling prophecy im positiven Sinne: „Ich nenn mich Erfolg, dann hab ich immer Erfolg in meinem Leben.“
„Über Sex kann man nur auf Englisch singen, allzu leicht könnt's im Deutschen peinlich klingen“, wusste die Band Tocotronic schon vor 20 Jahren. Johannes von Weizsäcker tut es jetzt doch. Er singt auf seinem Debütalbum das erste Mal auf Deutsch, nachdem er bis jetzt immer nur auf Englisch gesungen hat, doch um Sex geht es dabei eigentlich auch nur am Rande.
Es geht vielmehr um das Ego, um den selbstverliebten, erfolgssüchtigen Mann. Dabei unterscheidet Johannes von Weizsäcker in verschiedene Typen, es tauchen auf: der Klaviermann, der Mausmann, der Fachmann oder auch der Brillenmann. Letzterer ist ein Hipster-Phänotyp, der egal ob bei „Vernissage und Kaviar“ oder „beim Punkkonzert und in der Bar“, immer als erster am Ort des Geschehens ist.
Kein plumpes Hipster-Bashing
Die Ironie ist sicher auch zu einem gewissen Maße Selbstironie. Immerhin hat sich Johannes von Weizsäcker mit seiner bisherigen englischen Band The Chap akribisch einem experimentellen Nischenpop gewidmet, bevor er jetzt sein Debüt „Erfolg“ herausbringt. Er geht auf die 40 zu und zieht Bilanz. Wo andere die Kunst des Scheiterns zelebrieren, dreht er den Spieß um: „Ich nenn mich Erfolg und habe ab jetzt immer Erfolg“. Dieser Satz ist das Manifest des Albums und wird gebetsmühlenartig in einer Art Spoken-Word-Mantra verinnerlicht. Der Background-Damenchor ergänzt die Sätze mit einem deutsch-puritanischen Call-and-Response-Prinzip. Durch die teilweise orgelartigen Synthesizer bekommt dieses Erfolgs-Konzept fast schon einen klerikalen Charakter: willkommen in der Kirche des Kapitalismus.
Johannes von Weizsäcker und sein Damenchor wirken wie ein Team von Personal-Trainern, die uns erzählen wollen, dass wir es schaffen können, wenn wir optimistisch bleiben, positiv denken: „Alle reden von Nord-Süd-Gefälle, ich gefall mir mit Erfolg“.
Die Texte spielen mit den Gegensätzen einer Doppelmoral innerhalb eines Systems, das als letzten Bezugspunkt und Konstante nur noch das Ego kennt: die Ich-AG. Um dem zu entgehen werden neue Sehnsuchtsblasen geschaffen, in denen man das Gemeinschaftsgefühl erleben kann, outgesourct vom Büro etwa auf dem „Seelenfestival“:
„Im Fernsehen sehen wir ein verregnetes Flüchtlingscamp, wir haben Erfolg, kommen aus Wetzlar und wir campen im Matsch.“
Das Album macht trotzdem Spaß, auch weil die sinnschwangeren Texte in den Chor eingebettet sind, der Weizsäckers Stimme schmeichelt. Und weil den verschiedenen Phänotypen der Karriere-Menschen nicht nur Verachtung, sondern eher Mitleid entgegengebracht wird. Dazu Gitarren, die oft klar und harmonisch klingen wie eine Harfe. Und selbst die Synthies bleiben dezent und skizzenhaft im Hintergrund. Nur manchmal nehmen die Songs wirklich an Fahrt auf, wenn bei „Seelenfestival“ oder „Brillenmann“ die Schrammel-Gitarre dem prägnanten Sprechgesang den nötigen Druck verabreichen.
Spätestens mit dem zweitletzten Lied „Hallo“ wird es sogar bedrohlich. Einerseits durch das Klavier in Moll und andererseits durch die düsteren Streicher. Aber vielmehr, weil die Texte in ihrer Klarheit mehr und mehr verschwimmen und fragmentiert werden und Weizsäcker ihre Semantik an sich in Frage stellt: „Ich zum Beispiel sage Hallo, doch meine ich das selten so“. Das Erfolgskonzept wird immer unsicherer. Im letzten Lied „Negativität“ folgt das Gegenstück zum Erfolgs-Mantra des Anfangs: „Ich halt's nicht mehr aus“.
Selbstoptimierung bis zur Selbstausbeutung
Es war abzusehen, dass Karriere-Druck und Gehirnwäsche irgendwann zu Burn-Out und Entschleunigung führen müssen. Das ist eine ähnliche Erkenntnis wie in den Massenmedien und diverser Ratgeber-Literatur. Doch das Album ist auch deshalb so lässig, weil es zu diesem scheinbar offensichtlichen Ende kommt. Man kann es sich in dem präzise produzierten Deutschpop richtig gemütlich machen, die Kritik stößt nicht sauer auf, stattdessen versüßt uns „Erfolg“ mit Ohrwurm-Gefahr womöglich sogar den Alltag im Büro.
Die neoliberale Botschaft , dass es jeder schaffen kann, entlarvte die Band Wir Sind Helden übrigens schon vor zehn Jahren mit dem doppeldeutigen: „Wir können alles schaffen, genau wie die tollen dressierten Affen, wir müssen nur wollen“. Damit landete die Band dann in den Charts, und die Zeilen wurden für bare Münze genommen. Bleibt zu hoffen, dass die Erfolg-Platte nicht ähnlich missverstanden wird.
Das Album von Erfolg (und dem besten Damenchor aller Zeiten) ist am 27. März bei Staatsakt erschienen.